Immer öfter gibt es Diskussionen, ob eine als Barcamp titulierte Veranstaltung wirklich ein Barcamp ist oder doch ein anderes Veranstaltungsformat nutzt. Ich selber habe das beim StARTcamp gefragt und eine Diskussion bei Robert Lender ausgelöst mit meinem Beitrag zum Bloggertreffen in Salzburg. Auch Jan Theofel – Mr. Barcamp in Deutschland – urteilt immer wieder über Veranstaltungen und bezeichnet sie treffsicher als Barcamp oder ‚andere Konferenz‘.
Deswegen habe ich mich gefragt, ab wann ist ein Barcamp ein Barcamp? Oder anders herum: Was braucht eine Veranstaltung, damit sie ein Barcamp ist?
– Sind es die Regeln?
– Ist es die Organisationsstruktur?
– Ist es der Preis?
– Ist es das Programm?
– Sind es die Teilnehmer?
Die Barcamp-Regeln
Es gibt davon acht, die bis heute immer wieder angeführt und oft zu Beginn eines Barcamps verlesen werden. Wieviele von den Regeln sind Muss-Anforderungen und wieviele Kann-Bestimmungen? Und ist eine davon, die Killer-Regel, die als einzige erfüllt sein muss, damit es überhaupt ein Barcamp ist?
Auch wenn auf den ersten Blick einige Regeln sich nicht direkt auf das Format zu beziehen scheinen, sind sie doch Teil der Barcamp-Bewegung. Nehmen wir die Regeln 1 und 2: You do talk/blog about Barcamps. Man könnte denken, dass sich diese Bestimmungen nicht wirklich auf die eigentliche Veranstaltung auswirken. Dennoch denke ich, dass sie ein wichtiger Teil sind. Es geht meiner Meinung nach nicht (allein) um das rein formelle äußere Format, also die äußeren Bedingungen.
Die Haltung
Es geht um die Einstellung, um die Soft-Facts, um Attitude und Spirit. Und hier sind interessanterweise die Teilnehmer gefragt. Es ist keine Frage vom Orga-Team. Es geht nicht darum, wie das Orga-Team die Veranstaltung anlegt sondern es geht um die Gesamtheit der Teilnehmer. Jeder, der von einem Barcamp hört, und überlegt hinzugehen, ist aufgefordert, darüber zu reden und zu bloggen (oder heutzutage twittern, facebooken, elloen, tsuen, whatever…)
Ich selber habe für mich eine Killer-Bestimmung gehabt: Wenn es nicht gratis ist, ist es kein Barcamp. Aber das geht nicht weit genug. Inzwischen ist mir klar, dass der Knackpunkt ganz woanders liegt. Der Punkt ist für mich bei den Teilnehmern. Das war es wohl, was mich am StARTcamp Wien auch so gestört hat. Es lag nicht am Orgateam bzw. nicht allein. Mir fehlte die Grundhaltung, der Spirit bei den Teilnehmern.
Das Teilen
Mein Killer-Feature ist das TEILEN! Sebastian Dennerlein hat diese Woche einen Satz geprägt, der für mich das Phänomen Barcamp sehr gut darstellt:
„So lasst uns teilen unser Wissen über die Unkonferenz, die zum Wissen teilen geboren wurde!“
Das ist es: Die Unkonferenz, die zum Teilen geboren wurde.
Wer zu einem Barcamp geht, sollte sich klar darüber sein, was von ihm als Teilnehmer gefordert wird. Ja klar, es gibt die Regel, wo Neulinge eine Session halten müssen (Nr. 8). Diese Regel schreckt viele Leute ab, weil sie glauben, sie müssten sich auf eine Bühne stellen und vor x Leuten referieren. Aber das wäre zu banal. Jeder, ausnahmslos jeder, der ein Barcamp besucht, muss sich fragen, ob er wirklich und von ganzem Herzen bereit ist, sein Wissen – über welches Thema auch immer – zu teilen.
Die Touristen
Das betrifft auch eine andere Gruppe von Barcamp-Besuchern: Die Touristen. Diese Personen haben sich im Vorfeld keinerlei Gedanken gemacht, was ein Barcamp ist und was dort passiert. Und wer nur mal kurz vorbei schaut, am Nachmittag, wenn er vom Einkaufen gekommen ist und bevor er ins Schwimmbad geht, ist sicher nicht bereit, sein Wissen wirklich mit anderen Menschen zu teilen. Der will nur mal gucken. Auch dazu gibt es eine Regel (Nr. 6).
Natürlich gibt es auch diesen einen Satz, den man von einem Barcamp mitnimmt und der eventuell in Zukunft einen Riesenunterschied macht. Aber das ist wohl eher die Ausnahme und nicht die Regel.
Ich denke, es ist die Atmosphäre des Teilens. Die Bereitschaft, den anderen, dem ich auf dieser Veranstaltung begegne, an meinem Wissen teilhaben zu lassen.
Wissen teilen
Und „an Wissen teilhaben lassen“ ist etwas anderes als Lehren, als einen Vortrag halten, als eine Verkaufspräsentation. Dazu sollte ich mal einen eigenen Blogpost schreiben. Es ist auch für mich nicht das Netzwerken oder das Kontakte knüpfen, so dass später eventuell Arbeistverhältnisse/Freundschaften/Geschäfte daraus resultieren. Das sind alles zugegebener Maßen positive Nebeneffekte.
Es geht um das offene Teilen. Ich habe schon Teilnehmer auf Barcamps erlebt, die tönten: „Ich kann euch sagen, wie das geht!“ Und dann meinten: „Dazu müsst Ihr in mein teures Seminar kommen!“ Solche Leute sind keine Barcamper. Auch manche Agenturen oder Unternehmer sind keine Barcamper, wenn sie verzweifelt versuchen, ihre Dienstleistungen (oder Kameras) an den Mann oder die Frau zu bringen.
Der Wert
Auch bezahlte Keynote-Speaker sind keine Barcamper. Wenn eine Person in irgendeiner Weise dafür entlohnt wird, auf einem Barcamp zu reden, dann ist es nicht das Teilen, für das das Barcamp erfunden wurde. Auch wenn es eine Person gibt, die bekannt oder berühmt ist, und selbst wenn diese ohne Bezahlung auf ein Barcamp kommt und redet und sofort wieder geht, weil der Flieger erreicht werden muss, dann ist es für mich auch nicht das Teilen „für das das Barcamp geboren wurde“.
Auch voreingetragene Sessions oder Sessions, die jemand anders einträgt, weil „der XY kommt erst heute Nachmittag, aber der kann dann um 14 Uhr seine Session halten“, gehören für mich nicht auf ein Barcamp. Hier will vielleicht jemand seine Präsentation los werden, aber nicht Wissen teilen. Wer bei der Sessionplanung nicht dabei ist, hält keine Session.
Die Organisation
Organisationsstruktur und Preis sind dann nur noch untergeordnete Punkte. Ich bin für die „no barriere of entrance“ und alle Barcamps, die einen Beitrag verlangen, sollten klar definieren und kommunizieren, wie Menschen, die es sich partout nicht leisten können, trotzdem teilnehmen können. Die Organisation richtet sich dann auch nach dem Teilen: Kein feststehendes Programm, keine voreingetragenen Sessions, und genügend Räume, so dass auch kleinste Gesprächsrunden – und haben sie nur fünf Teilnehmer – stattfinden können.
Fazit
Was ist es jetzt genau, was ein Barcamp zu einem Barcamp macht? Es sind die Teilnehmer, die ein Barcamp machen getreu nach dem Motto von Robert Lender: „Barcamp ist, was Du draus machst!“
Und hier sind wir als Barcamp-Organisatoren gefragt, es immer und immer wieder zu erklären und zu verdeutlichen, was ein Barcamp ist und ausmacht. Denn nur dann entsteht diese einmalige Atmosphäre von denen Barcamp-Neulinge später so schwärmen und für die wir Ur-Barcamper uns so leidenschaftlich einsetzen.
Jetzt bin ich gespannt auf Eure Meinung: Ab wann ist für Euch eine Veranstaltung ein Barcamp? Was ist Eure Bedingung? Euer ‚Must have‘?
Danke für diesen Beitrag. Da steckt viel drin. Ich lasse es auf mich wirken und schreibe sicherlich dazu selbst auch noch etwas in meinem Blog.
Du hast vielleicht gemerkt, dass auch ich darauf eine Weile herumgedacht habe… Es ist nicht so einfach…
Stimmt. Es ist nicht so einfach. Ich brauche derzeit meinen Kopf für den Blue Beanie Day #bbd14. Danach kommen wieder die Barcamps in den Fokus.
Nur ein Absatz: Denke, das obige ist ein wenig die Idealform eines Barcamps. Aber das ist gut so. Von so etwas kann man ausgehen, weiter gehen oder überlegen, ob man davon Abstriche machen kann oder darf.
Aber das ist noch unausgereift. Auf alle Fälle nochmals Danke für diese Anregung.
Ich bin gespannt auf Deine Sicht! Meine Meinung ist ja auch nicht in Stein gemeißelt. Und ich bin froh über diese vielen tollen Kommentare hier und die verschiedenen Sichtweisen.
Liebe Monika.
Großartig! Sehr gute Fragen, spannende Antworten. Meine spontane Antwort: Ja, es ist das Teilen und die (Ergebnis)Offenheit, die auch für mich ein BarCamp ausmachen. Doch da ist noch was – etwas tiefer gehendes, das ich spontan nicht zu fassen bekomme.
Mir geht es wie Robert: Ich werde meine eigenen Gedanken dazu formulieren und einen Antwort-Blogbeitrag dazu verfassen. Dann melde ich mich wieder.
Derweil kann vielleicht mein Blogbeitrag „EnjoyWorkCamp transparent – Ein offener Brief“ (http://www.arbeitswelten-lebenswelten.de/blog-news-und-presse/detail?newsid=97) schon erste Impulse für Weiter-Draufrum-Denker geben. Für mich wäre Dein Blogbeitrag auch eine Blogparade wert 😉
Alles Gute und auf bald, Franziska
Danke Franziska. Ja, es ist schwer es in Worte zu fassen. Ich denke ja auch schon länger drüber nach und hab mich dem Thema über mehrere Blogposts genähert 😉
Blogparade find ich super!
Und Crowdfunding für ein Barcamp find ich auch interessant.
Leider konnte ich bei Dir nicht kommentieren. Bei Deinem offenen Brief würden mich noch die Kosten des Barcamps interessieren. Du nimmst bei 40 Teilnehmern ca. 10.000 Euro ein Was geschieht mit dem Geld? Was kostet das catering? Der Raum? Das wäre gut zu wissen.
Die Bewerbung für verbilligte Tickets gefällt mir sehr gut!
Ich habe beim Lesen deines Beitrags deine Leidenschaft für Barcamps sehr genau nachempfinden können – mein Kompliment dafür :). Ich glaube mittlerweile auch, dass ein gutes Barcamp dadurch entsteht, dass seine Besucher sich einbringen, egal, ob mit Session, Diskussion oder sonst was.
Der Gedanke, miteinander etwas bewegen zu können, das Konzept des Teilens halte ich einer Welt, wo sonst jedes Wissen und jede Handlung etwas kostet, für sehr wichtig und kostbar. Dass das wahrscheinlich ein Konzept ist, mit dem viele mittlerweile nichts mehr anfangen können, weil sie es nicht anders gelernt haben, müssen wir akzeptieren – aber wir können dagegen auf jedem einzelnen Barcamp etwas tun, indem wir den Neulingen unter die Arme greifen, damit sie verstehen, was ein Barcamp ausmacht und wo seine Stärken liegen.
Danke Henriette. Ich beschäftige,ich ja nicht nur mit barcamps sondern auch mit anderen Dingen zum Thema „sharing“. Ich organisiere ja z. B. Verschenkbazare oder habe ein Samenpaket auf die Reise geschickt uvm. Bei all diesen Projekten geht es darum, aufzuzeigen, dass es auch anders geht. Wie Du schreibst: Lass uns dagegen angehen!
Liebe Monika,
danke für den Beitrag. Es ist immer gut, an die Ursprünge und die Regeln der Barcamps zu erinnern.
Ich bin eine der „Herbergsmütter“, die das stARTcamp Köln initiiert und dreimal organsiert haben – nur damit Du weißt, woher der Winde weht 😉
Eine Bitte: Würdet Du das der Vollständigkeit halber oben in Deinem Artikel „Wien“ bei stARTcamp ergänzen? Es gibt ja seit vier, fünf Jahren einige stARTcamps, in unterschiedlichen Städten, von unterschiedlichen Leuten organisiert, mit einer großen gemeinsamen Klammer aber mit unterschiedlichem Spirit. Nicht, dass es da zu Verwirrung kommt 😉
Eine kleine Einschränkung möchte ich machen, bei den gesetzten Sessions. Grundsätzlich stimme ich Dir zu. Barcamps dürfen zu keinen Verkaufsveranstaltungen werden. Wir hatten allerdings beim ersten stARTcamp Köln im Vorfeld einige Künstler angesprochen und gebeten eine Session zu halten. Ausserdem hatten wir eine Session via Google Hanghout als Live-Schalte. Das musste organisiert und geplant werden und die war demnach im Vorfeld fest gesetzt. Diese Leute wollten zum einen nichts verkaufen und zum anderen haben diese Sessions das stARTcamp inhaltlich sehr bereichert. Beim letzten stARTcamp München hat der Soundkünstler Kalle Lahr eine Session zu seiner Arbeit gehalten. Der war auch im Vorfeld gesetzt und bedauerlicherweise hat Herr Lahr auch nicht wirklich am Barcamp teilgenommen. Dennoch war seine Session eine derer, die bei mir am nachhaltigsten nachgewirkt hat. Als strenger Barcamp Evangelist kann man der Meinung sein, dass das partout nicht geht, ich bin der Meinung, in homöopathischen Dosen und mit viel Fingerspitzengefühl seitens der Organsisatoren kann es möglich sein.
Das Thema Kosten wurde ja schon vielerorts heiß diskutiert und ich finde Deine Anmerkung zur “no barriere of entrance” sehr richtig.
Danke Ute. Da ist wirklich Fingerspitzengefühl gefragt, damit man den Redner nicht als etwas besonderes darstellt. Er sollte einer von den Teilnehmern sein. Und er sollte natürlich nicht bezahlt werden. Vielleicht zieht Euer StARTcamp ja bald Künstler an, die in einer Session über ihre Arbeit berichten. Einfach so – als Teilnehmer.
Die Ergänzung mach ich gerne.
Dein Artikel spricht mir absolut aus der Seele! Wir haben letztes Wochenende das 2. BarCamp Regensburg organisiert und ich kann nur sagen, ich liebe dieses Format.
Als leidenschaftliche Lehrerin und Inhaberin der Firma Die Wissensagentur ist für mich der absolute Fokus das Wissen teilen. Da stimme ich dir komplett zu.
Darüber hinaus ist mir noch wichtig, dass alle Teilnehmer gleich sind. Sprich egal ob Student, Lagerarbeiter, Geschäftsführer oder Professor, alle haben dieselben Möglichkeiten Wissen zu teilen, zu erbitten und einzubringen.
Am Anfang des Barcamp lesen wir jetzt nicht die barcamp Regeln vor sondern ich spreche genau über diese Gleichheit. Die diesen fruchtbaren Austausch möglich macht. Und dass Allen und allen Beiträgen Wertschätzung entgegen gebracht wird.
Dubeschreibst das sehr schön Alexandra. Es geht um Augenhöhe. Ein geladener keynote speaker steht für mich über den anderen Teilnehmern und ist nicht gleich oder auf Augenhöhe. Eine schöne Anregung! Vielleicht schaffen wir es ja auch mal nach Regensburg!
Falls das zur Anregungen beiträgt hier noch mein Beitrag den ich aus Sicht der Organisation eines barcamps geschrieben habehttp://www.wissensagentur.net/das-2-barcamp-regensburg-mein-fazit-es-war-grossartig-1992.html
Danke für deine Gedanken!
Das was wir „alten Hasen“ als Barcamp kennen, ist in der Tat das Wissen teilen. Ich würde das einen weiter fassen: Es ist, was Robert sagt. Ein Event für die Teilnehmer. (Ich mag das Wort „Teilgeber“ übrigens nicht. Ich „nehme Teil“ an etwas, bin beteiligt. Aber ich „gebe“ nichts, was man mit „weggeben“ assoziieren kann. Wir brauchen keine neuen Wörter als neue Hürde, wir brauchen eine neue Einstellung.) Es geht darum, was die Teilnehmer wollen. Das kann und ist meistens vorrangig der Austausch von Wissen.
Es kann aber auch mal sein, dass sie einfach ein besseres Gefühl bekommen. Beispielsweise bei internen Barcamps in Unternehmen, wo es oft weniger um Wissensaustausch als um die Teamerfahrung und das Zusammenrücken geht. Ihr Ziel ist hier ein „wir“, eine neue Unternehmenskultur.
Es geht für mich also immer um die Teilnehmer. Was wollen sie? Was wünschen sie sich? Welche Fragen haben sie mitgebracht? Wo „hängen“ sie gerade fest.
Aus diesem Grund steht auf meinen Polos, die ich als Orga trage auch „Your barcamp!“. Und aus diesem Grund sind meine ersten drei Slides einer Barcamp-Eröffnung inzwischen immer: 1. Logo. 2. „Was ist ein Barcamp?“ 3. Ein Foto der Teilnehmer, das ich kurz vor dem Start gemacht habe. Ich habe das für mich zu meiner ersten Orga-Regel erhoben: Es geht immer um das, was die Teilnehmer wollen und brauchen.
Aus diesem Grund gibt es bei mir inzwischen oft eben mehr als ein „three word intro“ aus den Regeln, wenn das den Teilnehmern dient. Aus dem Grund beschränke ich manchmal den Zugang auf eine Zielgruppe, wenn das der (vermutete) Wunsch der Zielgruppe ist. (Den ich auch manchmal über Geld regele.)
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