Auf dem Barcamp Linz 2013 gab es am Ende des Tages eine Session, die grundsätzliche Fragen zum Thema Barcamp aufwarf: Barcamp: das Feuer großer Gruppen. In der darauf entstehenden Diskussion zeigte sich, wie schon so oft zuvor, dass Barcamp-Neulinge sich schwer tun mit dem Konzept dieser Veranstaltungsform. Zum Beispiel verstand man nicht, warum ich während einer Session Nachrichten auf Twitter über die laufende Session veröffentliche. Diese Tätigkeit wird als lästig empfunden und als respektlos gegenüber dem ‚Vortragenden‘ und den anderen Teilnehmern. Man geht davon aus, dass diejenigen die während der Session in ihre digitalen Geräte schauen, respektlos sind und dem Thema oder dem Menschen gegenüber nicht genügend Achtung zeigen. Auf die Barcamp-Regeln hingewiesen, wurde die Diskussion recht heftig und emotional. Gerade die Barcamp-Regeln führen immer wieder zu Missverständnissen. Auch ist das Konzept Barcamp generell schwer zu erklären. Alle Versuche, Newbie-Abende anzubieten oder am Anfang eines Barcamps eine extra Session nur für Neulinge anzubieten bis hin zu Barcamp-Buddies, die die Neuen begleiten, sind bisher fehlgeschlagen.
Wir haben nach dem offiziellen Teil in Linz noch in einem kleinen Kreis diskutiert und es hat sich folgendes herauskristallisiert: Es sind nicht wirklich die Regeln, die Abschrecken sondern das Neue, das Unbekannte.
In der Session wurde bereits der Vergleich herangezogen zu einer Konferenz. Dieses Konzept kennen wir: Wenn der Vortragende spricht, sind alle anderen ruhig. Wenn einer den Raum verlässt, wird dies als Störung empfunden und wird daher tunlichst vermieden oder aber ganz leise getan. Wenn der Moderator es zulässt, dürfen nach dem Vortrag x Fragen gestellt werden. Usw. Hier befolgen alle unausgesprochene Regeln. Niemand stört sich dran. Niemand hinterfragt sie. Würde man bei einer Konferenz die Regeln einmal verschriftlichen und Aushängen wäre das Geschrei wahrscheinlich genau so groß wie gegenüber den Barcamp-Regeln. Da es aber etablierte, nicht ausgesprochene Regeln sind, werden sie anstandslos akzeptiert und eingehalten.
Deswegen kam ich auf die Idee, dass wir vielleicht besser von einer Barcamp-Kultur sprechen sollten statt von Regeln. Natürlich bedarf es dann einer Art interkulturellen Trainings, aber vielleicht wird dies eher akzeptiert, da interkulturelle Unterschiede jedem von uns, der einmal gereist ist, bekannt sein dürften. Möchte ich in Italien eine Kirche besichtigen, muss ich meine Schultern bedecken und tue dies. Ich halte mich an die Regel. In asiatischen Ländern nehme ich eine Visitenkarte mit beiden Händen entgegen und betrachte sie ausgiebig. Ich halte mich an die Regel. In Finnland ziehe ich ungefragt meine Schuhe aus, wenn ich eine Wohnung betrete. Ich halte mich an die Regel. Hier könnte man noch jede Menge Beispiele anführen. Ich verhalte mich so, wie die Menschen, die ich besuche. Deswegen sollte ich mich auf einem Barcamp eben auch dieser Kultur anpassen. Und die ist eben für einen Barcamp-Neuling anders, als alles, was ich bisher kannte.
Aus dieser Sicht planen wir nun einen Reiseführer für Barcamps. Vielleicht wird dann eher klar, wie dieses Konzept funktioniert und wir müssen nicht mehr so viel über die Barcamp-Regeln diskutieren…
Sag, Monika, kennst du „Open Space„? Wenn ja, wie würdest du Gemeinsamkeiten und Unterschiede sehen?
Nachdem ich bei dem nachträglichen Kaffee noch dabei war 🙂 kann ich das nur unterstreichen.
Wir „müssen“ Wege finden den Barcampgeist zu vermitteln, diese (Un)kultur (ach, „Unkultur“ verstehen sicherlich wieder einige total falsch) erklären,…
Daher bin ich von der Idee eines Reiseführers recht begeistert und mache mich mal an ein Konzept…
@Brigitte
Ich habe selber noch an keinem Event teilgenommen, was explizit als Open Space deklariert war. Allerdings scheint mir aufgrund der Wikipedia-Beschreibung ein wesentlicher Unterschied darin zu bestehen, dass man bei Open Space Arbeitsgruppen bildet, die etwas erarbeiten, was auch länger (ganze Tage?) dauern kann und dies am Schluß präsentieren.
Beim Barcamp dauern die sogenannten Sessions in der Regel 30 bis 45 Minuten, oft mit anschließender Diskussion von ca. 15 Minuten. Danach beginnt normalerweise eine neue Session. Es ist also meiner Meinung nach ein etwas anderes Prinzip.
@Robert
ja lass uns da was machen – einen Reiseführer schreiben.
Vielleicht finden wir ja noch weitere Mitmacher…
hab da gerade passenderweise eine kurs auf p2pu gefunden: https://p2pu.org/en/groups/how-to-run-an-unconference/
Danke für den Link @cheeseman
Es haben sich tatsächlich Leute über die weniger starren Regeln auf Barcamps beschwert? Verrückt. Nach meiner Erfahrung finden die meisten, die sonst nur auf „normalen“ Konferenzen sind, ihre erste Barcamp-Erfahrung total spannend und toll. Mit welchen Erwartungen, mit welcher Motivation sind die Barcamp-Neulinge denn zum Barcamp angereist? Es scheint da wirklich immer noch ein großes Informationsdefizit zu geben.
Ja, Matthias der Informationsbedarf ist immer noch sehr groß. Hast Du Lust/Zeit mit zu tun?
@Matthias
Für uns BarcamperInnen sind die Regeln sehr verständlich und sie geben uns viel Flexibilität. Jemand, der erst einmal herausfinden muss, was Barcamp überhaupt ist, können Regeln schon abschreckend wirken.
Natürlich hat jede Veranstaltung ihre Regeln. Aber die sind sowieso klar etc. Aber bei Barcamps stehen da wirklich „Regeln“ – das wirkt dann ev. wirklich einengend als offen.